Donnerstag, 26. September 2019
Dienstag, 3. September 2019
Es ist AUSGEPACKT! in Angermünde , mit Musik und diesem Text
AUSPACKEN
Als die Frau meines Bruders in ihrer Ausbildung zur Krankenschwester auch auf der
Geburtenstation eingesetzt war, überraschte sie mich im Gespräch über eine gemeinsame
Bekannte mit dem Satz: „Die hat jetzt auch ausgepackt“. Es war dieser befremdliche
betriebsblinde Ausdruck für eine Entbindung, der mir zuallererst in den Sinn kam, als ich
den Titel der Ausstellung hörte.
Ein Kunstwerk zu schaffen ist manchmal wie eine Geburt. Wir sind nicht Zeuge der
Empfängnis, wir erfahren nicht die Freude und die Angst darüber, die Mühen und
Aufregungen des Wachstums, das Ringen um das Hervorbringen, den Schmerz, die
Erleichterung, das Staunen.
Was wir davon sehen in einer Kunstschau ist nur eine Entladung. Da häuft sich nach allen
Wirrnissen des Schaffens für den Betrachter das ganz Aus- und Auseinandergewickelte.
Es kommt aus den Ateliers in Kartons, Kisten, Tüten, gläsernen Tresoren. Aber worin
besteht die Kunst des Auspackens denn? Wird da die Katze aus dem Sack gelassen?
Wird da mit der Bild-Sprache herausgerückt, um auszutrompeten, wie es um die Welt
bestimmt ist? Ich möchte einfach glauben: Ein Künstler macht mit einem Werk seinem
Herzen Luft. Er teilt mit, verkündet, offenbart und plaudert wie nebenbei aus seinem ganz
eigenen Nähkästchen. Was aber nimmt er sich da heraus? Welche Geheimnisse gibt er
preis aus der Kindheit, der Familiengeschichte? Was hat er noch im Kopf, wenn sein
Gehirn bloß liegt? Wenn er es leer macht, aufräumt mit der Idee, die Karten mal offen auf
den Tisch legt, neu mischt und darlegt, was verbraucht ist und was gewonnen.
Was wir vor die Augen geführt bekommen in einer Ausstellung ist ein gut aufgezäumtes,
gebändigtes und artiges Ross. Aber wieso steht es da, glotzt uns an und rührt sich nicht
von der Stelle? Wir schauen hin und weg und wieder hin, da purzeln plötzlich aus dem
kunstvoll erschaffenen Gebilde wie der Überfall aus dem Trojanischen Pferd unsere
eigenen Kopfgeburten. Die Fantasie hält niemals dicht, sie flüstert: Ich will mich selbst
mitteilen. Sie erzählt uns Geschichten, die wir sonst verschwiegen hüten. Da raschelt doch
unser eigenes Geschenkpapier! Und es kann gut sein zu begreifen: Wir sind vom hier
Ausgeladenen ganz schön eingeladen worden. Zum Auspacken. Zum Weitersagen.
Ines Carola Baumgartl (Dichterin), Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Auspacken!“ der
Künstlergruppe umKunst am 31.8.2019 in der Franziskaner-Klosterkirche Angermünde
Als die Frau meines Bruders in ihrer Ausbildung zur Krankenschwester auch auf der
Geburtenstation eingesetzt war, überraschte sie mich im Gespräch über eine gemeinsame
Bekannte mit dem Satz: „Die hat jetzt auch ausgepackt“. Es war dieser befremdliche
betriebsblinde Ausdruck für eine Entbindung, der mir zuallererst in den Sinn kam, als ich
den Titel der Ausstellung hörte.
Ein Kunstwerk zu schaffen ist manchmal wie eine Geburt. Wir sind nicht Zeuge der
Empfängnis, wir erfahren nicht die Freude und die Angst darüber, die Mühen und
Aufregungen des Wachstums, das Ringen um das Hervorbringen, den Schmerz, die
Erleichterung, das Staunen.
Was wir davon sehen in einer Kunstschau ist nur eine Entladung. Da häuft sich nach allen
Wirrnissen des Schaffens für den Betrachter das ganz Aus- und Auseinandergewickelte.
Es kommt aus den Ateliers in Kartons, Kisten, Tüten, gläsernen Tresoren. Aber worin
besteht die Kunst des Auspackens denn? Wird da die Katze aus dem Sack gelassen?
Wird da mit der Bild-Sprache herausgerückt, um auszutrompeten, wie es um die Welt
bestimmt ist? Ich möchte einfach glauben: Ein Künstler macht mit einem Werk seinem
Herzen Luft. Er teilt mit, verkündet, offenbart und plaudert wie nebenbei aus seinem ganz
eigenen Nähkästchen. Was aber nimmt er sich da heraus? Welche Geheimnisse gibt er
preis aus der Kindheit, der Familiengeschichte? Was hat er noch im Kopf, wenn sein
Gehirn bloß liegt? Wenn er es leer macht, aufräumt mit der Idee, die Karten mal offen auf
den Tisch legt, neu mischt und darlegt, was verbraucht ist und was gewonnen.
Was wir vor die Augen geführt bekommen in einer Ausstellung ist ein gut aufgezäumtes,
gebändigtes und artiges Ross. Aber wieso steht es da, glotzt uns an und rührt sich nicht
von der Stelle? Wir schauen hin und weg und wieder hin, da purzeln plötzlich aus dem
kunstvoll erschaffenen Gebilde wie der Überfall aus dem Trojanischen Pferd unsere
eigenen Kopfgeburten. Die Fantasie hält niemals dicht, sie flüstert: Ich will mich selbst
mitteilen. Sie erzählt uns Geschichten, die wir sonst verschwiegen hüten. Da raschelt doch
unser eigenes Geschenkpapier! Und es kann gut sein zu begreifen: Wir sind vom hier
Ausgeladenen ganz schön eingeladen worden. Zum Auspacken. Zum Weitersagen.
Ines Carola Baumgartl (Dichterin), Rede zur Eröffnung der Ausstellung „Auspacken!“ der
Künstlergruppe umKunst am 31.8.2019 in der Franziskaner-Klosterkirche Angermünde
Hörstückwanderung mit Ines Baumgartl „Sommersumme. Schotterschluchten“ in Fürstenwerder
Ich lade hiermit dazu ein, sich die Aufnahme des Hörstücks, das zur
Eröffnung des Literaturfestivals "Wortgarten" in Fürstenwerder u. a. mit
meiner Mitwirkung entstanden ist, bei einer kleinen romantischen
Wanderung am 5. Oktober, organisiert vom Heimatverein Fürstenwerder
(siehe Anhang), anzuhören.
Ines Baumgartl, Lyrikerin
Eröffnung des Literaturfestivals "Wortgarten" in Fürstenwerder u. a. mit
meiner Mitwirkung entstanden ist, bei einer kleinen romantischen
Wanderung am 5. Oktober, organisiert vom Heimatverein Fürstenwerder
(siehe Anhang), anzuhören.
Ines Baumgartl, Lyrikerin
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